Akutbehandlung auf der Intensivstation (Phase A)
Patienten im Koma, die anscheinend nicht sehen oder nicht antworten können, werden in den meisten Fällen über ihre Sinne wie Hören, Fühlen oder Riechen ansprechbar sein. Angehörigen kommt hier eine wichtige Rolle zu. Sprechen Sie ruhig und gelassen mit dem Patienten in normaler Lautstärke.
Gehen Sie davon aus, dass Ihr Patient Sie versteht – auch wenn er es nicht unmittelbar zeigen kann. Diskussionen über die Prognose und die Behandlung des Patienten müssen deshalb außerhalb des Krankenzimmers geführt werden! Berühren und streicheln Sie Ihren Patienten. Bringen Sie persönliche Dinge mit, z.B. Parfüm oder Rasierwasser, Musik, die Ihr Patient gerne gehört hat.
Generell gilt: Sprechen Sie alle Schritte mit dem Pflegepersonal auf der Intensivstation ab – auch Häufigkeit und Dauer Ihrer Besuche.
Auf der Intensivstation hat es sich bewährt, wenn nur ein oder zwei Angehörige die Kontaktperson zu Pflegekräften und Ärzten sind. Suchen Sie eine Vertrauensperson! Diese kann sowohl Arzt als auch Pflegekraft sein. Hinterlassen Sie Ihre Telefonnummer für den Fall, dass Komplikationen auftreten.
Wenn die akute Phase der Schädel-Hirnverletzung überstanden ist, reagiert der Patient zunehmend auf äußere Reize. Möglicherweise reagiert er auf Ansprache, drückt die Hand, atmet anders, zieht die Stirn in Falten oder schließt und öffnet gezielt die Augen. Gerade in dieser Phase sind Besuche der Angehörigen besonders wichtig. Auch wenn eine genaue Prognose nicht möglich ist, wird absehbar sein, ob der Genesungsverlauf mehrere Monate oder Jahre dauern wird und man davon ausgehen muss, dass mehr oder weniger ausgeprägte Behinderungen eine lebenslange Betreuung erforderlich machen werden. Dies ist auch der Zeitpunkt, den nächsten Behandlungsschritt einzuleiten.
Frührehabilitation (Phase B)
Jeder Patient muss diese Chance bekommen. Außer der Verlauf ist so günstig, dass z.B. eine Verlegung direkt in die weiterführende Rehabilitation möglich ist. Eine Aussage, dass eine Frührehabilitation z.B. wegen das Alters oder der Schwere der Schädigung nicht sinnvoll ist, sollten Sie auf keinen Fall hinnehmen!
Recht auf Rehabilitation
Ihr Patient hat laut Sozialgesetzbuch I § 4 ein Recht auf Rehabilitation. Das bedeutet ein Recht auf die notwendigen Maßnahmen zum Schutz, zur Erhaltung, zur Besserung und zur Wiederherstellung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit sowie zur wirtschaftlichen Sicherung bei Krankheit und Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Es ist die Aufgabe des Akutkrankenhauses (Intensivstation), für die Verlegung in die Frührehabilitation zu sorgen. Die direkte Verlegung in ein Pflegeheim sollten Sie nicht zulassen, weil eine negative Prognose über den Erfolg einer Frührehabilitation grundsätzlich nicht möglich ist! Spätestens, wenn eine solche Diskussion einsetzt, haben Sie hoffentlich die rechtliche Betreuung für den Patienten beantragt und übernommen. Dann können Sie nicht ohne weiteres übergangen werden.
Eine qualifizierte Frührehabilitation ist immer sinnvoll! Die Angehörigen brauchen die Zeit der Frührehabilitation, um die spätere, langfristige Versorgung sorgfältig zu planen. Ansprechpartner sind die verantwortlichen Ärzte und der Sozialdienst des Krankenhauses. Finden Sie heraus, wer zuständig ist und nehmen Sie Kontakt auf. Welche Vorstellungen bestehen, gibt es Ideen über eine Klinik mit besonderen Schwerpunkten oder Erfahrungen, welche Klinik wird überhaupt in Betracht gezogen.
Unser Bundesverband Schädel-Hirnpatienten in Not e. V. führt Listen mit Reha-Kliniken, die Sie anfordern können. Insbesondere dann, wenn mehrere Kliniken in Frage kommen, suchen Sie den Erfahrungsaustausch mit anderen Angehörigen oder regionalen Selbsthilfegruppen. Hier finden Sie in der Regel zusätzliche Informationen über therapeutische Konzepte und verfügbare Ressourcen, die Sie in die Entscheidungsfindung mit einbringen können.
Kontaktdaten zu einer regionalen Angehörigen-/ Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe können Sie bei uns in der Geschäftsstelle erfragen. Die Verlegung in eine Reha-Klinik in Wohnortnähe ist natürlich anzustreben. Wenn dies nicht zeitnah möglich ist, ist die Verlegung in eine weiter entfernte Frühreha-Klinik im Regelfall günstiger als das wochenlange Warten auf einen Platz in der Nähe.
In der Frührehabilitation wird die Rolle der Angehörigen immer wichtiger. Je wacher der Patient wird, umso wichtiger sind die persönlichen Kontakte und die systematische Erinnerung an bekannte Dinge. Fragen Sie, ob Sie beim Waschen und bei der Pflege helfen können. Ihr Patient wird es vermutlich als angenehm empfinden, wenn Sie ihn versorgen. Sie verlieren ihre Hilflosigkeit und lernen, mit der neuen Situation umzugehen. Lernen Sie so viel wie möglich! Dieses Wissen und Können brauchen Sie für die evtl. Pflege zu Hause. Die ambulanten Pflegedienste und auch Pflegeeinrichtungen haben nicht immer die entsprechende Erfahrung und das Wissen und Können, wie unsere Patienten versorgt werden müssen.
Angehörige haben mittlerweile meistens gelernt, mit der veränderten Lebenssituation umzugehen.Trotzdem muss von Anfang an bewusst sein, dass auch diese Etappe nur ein Zwischenschritt ist und die Weichenstellung für die Zukunft im Regelfall bereits nach wenigen Wochen vorbereitet werden muss!
Der Kostendruck im Gesundheitswesen führt dazu, dass die Krankenkassen bereits nach 2–4 Wochen prüfen, ob der Patient erkennbare Fortschritte macht. Eine Verlängerung wird in vielen Fällen bereits nach 4 Wochen abgelehnt. Das bedeutet dann den sofortigen Wechsel in die Langfristige Versorgung (siehe Vierter Schritt, Phase F).
Umso wichtiger sind die Beobachtungen der Angehörigen! Schreiben Sie ein Tagebuch, in dem Sie den Verlauf und Veränderungen aus Ihrer Sicht festhalten. Suchen Sie vertraute Ansprechpartner in der Klinik, denen Sie Ihre Beobachtungen vermitteln und mit denen Sie den weiteren Verlauf besprechen können. Wenn keine oder kaum sichtbare Fortschritte zu beobachten sind, müssen Sie davon ausgehen, dass spätestens nach 3 Monaten die Krankenkassen eine weitere Behandlung ablehnen.
Wechsel in die Weiterführende Rehabilitation (Phase C, D und E):
Dieser Schritt ist nur dann möglich, wenn während der Frührehabilitation hinreichende Fortschritte erzielt werden. Im günstigen Verlauf wird der Patient soweit mobilisiert, dass er sich selbst fortbewegen kann (Gehen oder Rollstuhl), dass er angemessen kommunizieren kann und für eine berufliche oder schulische Förderung ausreichend belastbar ist. Dann erfolgt die Verlegung in eine Einrichtung der weiterführenden Rehabilitation zur schulischen oder beruflichen Wiedereingliederung. Hier ist grundsätzlich eine individuelle Beratung durch den Sozialdienst und die Arbeits- bzw. Schulverwaltung notwendig.
Achten Sie darauf, dass nicht vorschnell ein Rentenantrag gestellt wird!
In der Regel hat der Patient 18 Monate Anspruch auf Krankengeld, ein zu früher Rentenantrag bewirkt Geldverlust und oft auch schlechtere Chancen auf die Neuaufnahme in eine Frührehabilitation. Vorher müssen unbedingt alle Möglichkeiten der beruflichen Wiedereingliederung genutzt werden.